„In der Krise beweist sich der Charakter“, wusste bereits der deutsche Politiker Helmut Schmidt. Und Buchhandlungen haben einen starken Wesenskern, stemmen sie doch seit Jahren die digitalen Veränderungen und den zunehmenden Bucheinkauf im Online-Handel. Deborah Klein erklärt im Interview mit Buchmarkt, wie der Buchhandel die Corona-Krise als Chance für sich wahrnehmen kann
Die Corona-Krise führt zu einem Stillstand: geschlossene Läden, fehlende Kundschaft, ein abgesagtes Kulturprogramm. Und doch birgt dieser Zustand eine Chance: Die Chance zur Veränderung, um das Lesebedürfnis in Zeiten von Kontaktsperre dennoch zu erfüllen. Ein kultureller Auftrag, der in diesen Tagen wichtiger denn je ist.
Die Buchhandlungen gehören zu den wenigen Kulturorten, die wieder deutschlandweit öffnen dürfen. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage für die Branche?
Deborah Klein: Es ist wichtig, dass die Buchläden für die Gesellschaft wieder erreichbar sind und eine verlässliche Anlaufstelle für Kulturgüter und den persönlichen Austausch dafür darstellen. Dennoch kann von Normalität keine Rede sein. Dafür wiegen die Sorgen und Ängste der Menschen als auch die finanziellen Einbußen der vergangenen Wochen zu schwer. In Gesprächen mit Buchhandlungen habe ich erfahren, dass die Umsätze meist um die Hälfte zurückgefallen sind, trotz der vielen Buchauslieferungen per Kurier oder Post. Fakt ist: Die Krise wird noch eine längere Weile spürbar sein, daher ist es wichtig, dass die Läden schnell und effektiv auf die veränderte Lage reagieren.
Was bedeutet die Corona-Krise für die Buchläden konkret?
Die Krise legt zweierlei offen: Sie macht sichtbar, woran es hierzulande in Sachen Digitalisierung mangelt und gleichzeitig ist sie die Chance, den Ist-Zustand zu entstauben. Die Corona-Krise bedeutet für den stationären Buchhandel ganz klar eine Aufforderung, vom reinen Thekenverkauf einen Digitalisierungsschub für zeitgemäße Online-Geschäftsmodelle zu entwickeln. Allerdings ist auch sicher, dass wir diesen Wandel nicht innerhalb weniger Wochen komplett nachholen können.
Viele Buchläden haben bereits einen Online-Buchshop oder eine eigene Website mit Buchtipps und Veranstaltungshinweisen. Ist das nicht digital genug?
Eine eigene Website, die Interaktion in den sozialen Medien und auch das Angebot eines Online-Shops gehören zunehmend zum normalen Inventar einer Buchhandlung. In der Krise braucht es mehr als die bisherigen Methoden, es geht um neue Arbeitsformen und einen kreativen, gar unkonventionellen Umgang mit den Kunden. Diese Transformation sollte von den Läden als Experimentierphase verstanden werden. Hierfür braucht es Mut und eine hohe Toleranz im Umgang mit Fehlern, die zwangsläufig passieren werden. Neuland bedeutet immer die heuristische Methode von Versuch und Irrtum. Wichtig sind daher ein enger Austausch mit den Nutzern und ein offener Umgang mit Feedback. Wir lernen jetzt vor allem im Miteinander.
Das vollständige Interview von Deborah Klein mit der Fachzeitschrift Buchmarkt können Sie hier lesen.