April 20, 2020

„Ich mache aus jedem Problem etwas Kreatives“

by Deborah Klein in Branchengespräch

Drei, zwei, eins, fertig ist die Zeichnung – Graphic Recording ist eine zunehmend beliebte Methode, Eventinhalte live per Zeichnung zu begleiten. Teresa Holtmann, als Illustratorin unter dem Namen Frollein Motte bekannt, führt seit Jahren mit sicherer Hand durch Veranstaltungen aller Art. Deborah Klein hat sich mit ihr über die Kunst des schnellen Zeichnens, Kreativität und das Feingespür bei der Sache einmal gedanklich ausgetauscht.

Zuallererst stelle dich bitte kurz mit ein paar Worten vor!
 
Ich bin Teresa Holtmann, seit einigen Jahren als Frollein Motte und Illustratorin unterwegs, und lebe mit aufgewecktem Kleinkind, geduldigem Mann und zwei tollen Bonuskindern in Berlin. 

Wenn du drei Worte wählen solltest, um deine Arbeit zu beschreiben?
 
Schnell, witzig, spontan. Unperfekt. (Sorry, aber die vier müssen es sein)
 
Was kann man sich unter deinem Illustrationsdesign vorstellen?
 
Mein Illustrationsdesign umfasst diverse Bereiche: Ich zeichne Porträts, Comics, gestalte Bücher und zeichne für große und kleine Firmen, darunter Kunden wie SIEMENS, Sparkasse und Mercedes. Besonders aktiv bin ich dabei vor allem auf Firmenevents und Kongressen. Seit zwei Jahren designe ich zudem Kinderskateboards und arbeite am Aufbau eines Schmucklabels. Es ist also eine bunte Mischung, die sich stetig erweitert.
 
Innerhalb weniger Minuten kannst du Portraits und Emotionen aufs Papier bringen.Wie entsteht ein Sketch Design in solch kurzer Zeit?
 
Nun, man muss sich das so vorstellen: Ich stehe an einem Stehtisch, die Leute sind meist gut gelaunt und auf einer Veranstaltung eingeladen, treffen KollegInnen etc. Und nun kommen diese Menschen an meinen Tisch, auf dem nichts weiter liegt als ein Stapel Papier und drei Stifte. Dann erkläre ich kurz, dass ich gern ein Portrait von der- oder demjenigen anfertigen würde, und dafür ein paar Informationen zur Person bräuchte: Hobbys, Charaktereingenschaften, Reiseziele, Job, Familie etc. Und wenn dann (meistens) fleißig erzählt wird, zeichne ich drauf los und bringe die erzählten Dinge aufs Papier – in Form von Figuren und Symbolen. Die meisten erzählen dann, dass sie gern reisen oder es lieben, im Garten zu arbeiten. Dabei versuche ich dann auch ein paar witzige Sachen zu zeichnen.
 
Was genau versteht man unter Graphic Recording?
 

Das Graphic Recording, bei dem man Audiovisuelles ins Visuelle übersetzt, kurz gesagt einen Vortrag oder ein Meeting auf Papier zu bringen. Die Anforderungen dabei sind extrem hoch, da die Faktoren Zeit und Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle spielen. Man muss das direkt Gehörte in Sekundenschnelle in ein Symbol übersetzen, den Zusammenhang verstehen und dann in ein Gesamtbild übertragen. Mit der Übung kommt natürlich die Routine und viele Worte werden automatisch im Gehirn während des Hörens in die zeichnende Hand »geleitet«, aber: Ich bereite mich auch immer auf den Vortrag vor, in dem ich viel zum Thema und dem Unternehmen recherchiere und mir vorab schon Symbole überlege, die im Vortrag vorkommen können.

Wie kam es dazu, dass du heute deine lebendigen Illustrationen anbietest?

In ihrem Element: Teresa Holtmann zeichnet im Schnellmodus

Der Weg zur mir als freischaffende Illustratorin und zu der Arbeit, die ich heute mache, war nicht wirklich gerade. Nach dem Abitur wollte ich »etwas mit Kunst und Englisch machen«. So kam es, dass ich Kunsterziehung und Englisch in Weimar und Jena studiert habe, mit dem eigentlichen Ziel, Lehrerin zu werden. Durch Zufall habe ich mich dann recht früh beim Künstlerkollektiv »Illustrationsautomat« beworben und durfte dort meine Schnellzeichnen-Fähigkeiten verbessern und in das Illustratorenleben- und -arbeiten hineinschnuppern. Ich wusste sofort, dass ich das für mich auch will: den ganzen Tag zeichnen, Ideen entwickeln, die Ergebnisse in gedruckter Form sehen und letztlich mein Geld damit verdienen. Zwischendurch war ich dann noch ein paar Monate in Los Angeles, wo ich an der Universität zwei Sommerkurse belegt habe. Seit fast zehn Jahren bin ich nun mittlerweile Illustratorin.
 
Woher kommen allgemein deine Inspirationen und der Antrieb für deine Arbeit?
 
Ich würde sagen, ich habe eine sehr lebhafte Fantasie, deren Bilder ich oft sehr schnell zu Papier bringe. Früher habe ich einfach drauflos gemalt, aber mittlerweile handhabe ich es so (zumindest bei Aufträgen), dass ich absolut gar nichts zeichne, bevor ich nicht die komplette Illustration im Kopf »fertig gezeichnet« habe, denn dann geht die Illustration selbst umso schneller. 
 

Reagieren Kunden auf visuelle Inhalte anders als auf altbekannte schriftliche Zusammenfassungen? Was ist das Besondere, was du beobachtest?

Ich stelle immer wieder erstaunt fest, wie Leute davon fasziniert sind, mir beim Zeichnen zuzusehen. Ich habe den Eindruck, oft geht es gar nicht um den eigentlich visualisierten Inhalt, sondern einfach um den Live-Act des Zeichnens selbst. Ich bekomme zudem die Rückmeldung, dass man sich die Inhalte durch meine Visualisierungen besser merken könne und die Veranstaltung im Allgemeinen positiv im Gedächtnis bliebe. Für mich ist das die stärkste Motivation, die ich erhalten kann.

Wie beeinflusst die Corona-Krise deinen kreativen Prozess?
 
Meine Grundeinstellung zeigt sich auch hier: Ich mache aus jedem »Problem« etwas Kreatives. So entstand auch das Projekt »The Corona Diary«, bestehend aus täglich erscheinenden Comics zu den Vorfällen in der Welt, Deutschland und bei uns zu Hause. Diese veröffentliche ich dann auf Instagram und der dazugehörigen Website. Abgesehen davon habe ich die Krise tatsächlich erst persönlich genommen, als viele Veranstaltungen abgesagt wurden, auf denen ich gebucht war und mir klar wurde, dass ich in den nächsten Monaten hohe Umsatzeinbußen haben werde. Aber auf Regen folgt Sonne und so hatte ich eine Woche später einen Auftrag für eine große Firma und habe für die Corona-Stay-at-Home-Krise Ausmalbilder für Kinder gestalten dürfen. 
 
Hast du konkrete Visionen oder ein Ziel für die Zukunft? 
 
Ich mag zwar keine Mottos oder »Carpe Diem«-Sprüche, aber auf einen stehe ich total: Sag niemals nie. Daher bleibe ich sehr gespannt, wohin mich der Wind und das Meer bringen… vielleicht mehr in die Verlagswelt, oder vielleicht die Textilbranche… oder ich werde doch noch leidenschaftliche Grundschullehrerin. Obwohl, das wohl eher nicht. Oder doch? In Portugal in einem Fischerdörfchen vielleicht.
 

Fortsetzung gefällig? Mehr zu Teresa Holtmann ist auf ihrer Homepage und auf Instagram zu finden.

Bild: © Frollein Motte Illustration