Buchhandlungen sind nicht allein Orte, an denen Bücher verkauft werden. Sie sind Orte des Miteinanders. Im Gespräch mit der Buchautorin Marianne Julia Strauss, die eine besondere Reise unternahm und einzigartige Buchläden weltweit besucht hat.
Zuallererst stelle dich bitte kurz mit ein paar Worten vor!
Mein Name ist Marianne Julia Strauss, ich arbeite als Reisejournalistin. In meinen Reportagen geht es um Motorräder, Buchhandlungen, Barkultur und alles, was das Leben noch ein bisschen schöner macht.
Wenn du drei Worte wählen solltest, um deine Arbeit zu beschreiben?
Entdecken. Zuhören. Einrahmen.
Wie kam es zu der Idee, Buchhandlungen auf der ganzen Welt zu besuchen und daraus ein Buch entstehen zu lassen?
Das Buch „Do You Read Me?“ ist aus einem Spleen heraus entstanden: Ich habe die Angewohnheit, an jedem neuen Ort mindestens eine Buchhandlung zu besuchen. Presse- und Recherchereisen haben mich unter anderem nach Mexiko geführt, nach Island, Frankreich, Namibia, in die USA oder nach Rumänien. Überall habe ich besondere, liebenswerte und beeindruckende Buchhandlungen gefunden. Über die Jahre hat sich eine wunderbare Sammlung entwickelt. Im Frühling 2019 kam mir schließlich die Idee, daraus ein Buch zu machen.
Wie ist die Auswahl der Buchhandlungen entstanden?
Mein Team vom gestalten Verlag und ich haben die vorgestellten Buchhandlungen sehr gezielt ausgewählt. Zum einen war mir wichtig, die Favoriten von meinen Reisen im Buch zu haben, etwa Halper’s Books in Tel Aviv oder FiLBooks in Istanbul. Dazu waren eine gute Verteilung der Buchhandlungen über alle Kulturen und Kontinente eine Besonderheit, etwa ein ausgefallenes Konzept, besondere architektonische Merkmale oder eine spannende Hintergrundgeschichte als auch die Qualität der Bilder für die Auswahl ausschlaggebend.
Gibt es für dich internationale Unterschiede, was eine Buchhandlung für die Menschen ausmacht?
Ich habe den Eindruck – und das gilt über alle politischen Grenzen hinweg: Je unfreier sich der Mensch fühlt, ob in seinem Regime oder seiner Haut – desto existenziell wichtiger ist die Buchhandlung. Besonders wenn diese ein inspiriertes, unabhängiges und mutiges Sortiment führt. Buchhandlungen werden dann zu Schutz- und Entfaltungsräumen. Sie können Bildung, Gedankenfreiheit, Alternativen und Zukunft begleiten und bedeuten.
Was bedeuten für dich persönlich Buchläden?
Ich liebe den Geruch des frisch bedruckten Papiers, die Buchcover, die das Aussehen der Buchhandlung immer wieder verändern, die in Klappentexte und zufällig aufgeschlagene Kapitel vertieften Menschen, die Stille genauso wie die spontanen Unterhaltungen und nebenbei bemerkt: Buchhändler sind so gut wie immer fantastische Gesprächspartner und den Gedanken, dass jede gute Buchhandlung ein eigenes Universum ist: voller kleiner fremder Welten aus Gedanken, Fantasien und Herzblut mir unbekannter Menschen. Was für ein Privileg, darin zu reisen!
Welche Eigenschaften muss für dich eine interessante Buchhandlung verkörpern?
Was ich bewundere, ist ein entspannter Mix aus Liebe, Ideenreichtum, Mut, Schönheit und Individualität. Eine Buchhandlung ist schließlich auch nur ein Mensch. Und was alle Buchhandlungen in dem Buch „Do You Read Me?“ eint, ist der unbedingte Wille zum Inspirieren.
Gibt es für die Zukunft neue Destinationen im Bereich Buchläden?
Spannend und herausfordernd zugleich bleibt es vor allem in politisch derzeit instabilen Regionen. Krisen bringen weltverändernde Autoren und damit nötige Bühnen, sprich Buchhandlungen hervor. Für alles andere wage ich keine Vorhersage. Kreative Menschen werden überall geboren und verwirklichen überall ihre umwerfenden Ideen. Mit ein bisschen Glück gehören ein paar Buchhandlungen dazu.
Welche grundlegende Botschaft steckt in dem Buch?
Die Botschaft lautet: Support your local bookstore! Unabhängige Buchhandlungen gehören zu den Big Five unserer Kulturlandschaften. Sie sind unschätzbar wertvoll für unser kulturelles und politisches Gleichgewicht und gleichzeitig oft vom Abschuss bedroht. Wenn das Buch es schafft, hier eine Liebe zu wecken, hat es sein Ziel erreicht.
In Sachen Digitalisierung passiert derzeit viel – wo siehst du die Buchhandlung in zehn Jahren?
Um der digitalen Bequemlichkeit etwas entgegenzusetzen, muss auch die klassische Buchhandlung aus ihrer Komfortzone kommen. Viele Buchhandlungen im Buch machen es erfolgreich vor: Sie verkaufen nicht nur Bücher, sondern gestalten ganze Erlebniswelten um sie herum. Lesungen und Schreibworkshops sind oft der erste Schritt, das integrierte Café der zweite. Buchhandlungen müssen entweder herausragend gut, besonders spezialisiert oder spektakulär sein, um neben der digitalen Konkurrenz zu bestehen, am besten alles zugleich. Im Kinderbuchladen Wild Rumpus in Minneapolis, Minnesota laufen Chinchillas und Hühner frei herum, und die Kinder lieben es. Oder die Buchhandlung Bart´s Books in Kalifornien, die mit ein paar Regalen voller Vintage-Büchern auf der Straße begann und heute eine der größten Open-Air-Buchhandlungen in den USA ist. So etwas funktioniert nur offline. Auch Algorithmen haben bestimmt ihre Daseinsberechtigung, doch wissen sie immer nur, was der Leser auch schon weiß. Ein guter Buchhändler dagegen hat dem Algorithmus immer sein Bauchgefühl voraus. Auch Spezialbuchhandlungen haben gute Überlebenschancen. Und ich glaube, dass der Trend zur Event-Buchhandlung sich fortsetzt. Wer weiß, vielleicht gibt es in zehn Jahren die erste Buchhandlung mit Vergnügungspark. Ich würde hingehen.
Fortsetzung gefällig? Mehr zum Buch von Marianne Julia Strauss ist auf der Verlagsseite und auf Instagram zu finden.
Autorenbild: © Marianne Julia Strauss / Bilder im Text: © Do you read me?, gestalten 2020, Header: Photo Bart ’s Books