Mai 2, 2023

Chancen und Risiken: Der aktuelle Hype um Künstliche Intelligenz in der Kultur

by Deborah Klein in Allgemein, Branchengespräch

Der KI-Hype ist die wohl größte technologische Transformation seit Erfindung des Internets. Fest steht: Sie wird auch die Arbeitswelt der Kulturbranche radikal verändern. Im Gespräch mit Dr. Tabea Golgath, Programmleiterin des Förderprogramms LINK der Stiftung Niedersachsen, über Chancen und Risiken von KI und Kultur.

Zuallererst stellen Sie sich bitte kurz mit ein paar Worten vor!

Mein Name ist Tabea Golgath, ich bin Historikerin und Amerikanistin und habe lange Jahre in der Museumspädagogik und in der Museums- und Kunstförderung gearbeitet. Seit 2018 leite ich das Förderprogramm LINK – KI und Kultur der Stiftung Niedersachsen

Wenn Sie drei Worte wählen sollten, um Ihre Arbeit zu beschreiben?

Digitalität, Transdisziplinarität und Kommunikation.

Frau Golgath, digitale Anwendungen spielen bei der Vermittlung von Kultur eine immer größer werdende Rolle. Wie beobachten Sie die Entwicklung?

Einerseits werden digitale Formate schon lange von Kultureinrichtungen als essenziell betrachtet, weil davon ausgegangen wird, dass die Besuchenden darauf Wert legen. Digitalität spielt jedoch nicht nur in der Vermittlung eine Rolle, sondern bildet eigentlich eine Erweiterung unserer Kulturarbeit. Es stellt sich also weniger die Frage: „Digital oder analog?“ Stattdessen sollten wir eine Gleichzeitigkeit anstreben. Die Pandemie hatte einen großen Einfluss auf die Definition neuer Standards.

Wie bewerten Sie den Einfluss der KI allgemein auf Kunst und Kultur?
Die Technologie KI ist längst in nahezu allen Arbeitsbereichen angekommen und das gilt auch für Kultur. Nach ersten Experimenten mit KI wird die Kollaboration zwischen Mensch und Maschine von dauerhaftem Interesse sein. Es geht nicht um eine Verdrängung, sondern um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit veränderten technischen Rahmenbedingungen und gleichzeitig eine Nutzbarmachung für das eigene künstlerische Schaffen.

Viele Kreative bangen um ihre Existenz und beobachten einen Kulturbruch. Was empfehlen Sie hier?
Zuallererst brauchen wir eine Auseinandersetzung mit den neuen technischen Möglichkeiten, um nicht pauschal etwas zu verurteilen, das wir nicht kennen. Es wird zweifelsohne Veränderungen in vor allem kreativwirtschaftlichen Branchen geben, weil kreative Dienstleistungen wie Übersetzung, Grafik oder die Bearbeitung von Fotos von Maschinen erheblich schneller ausgeführt werden können. Ich gehe jedoch eher von einer Anpassung innerhalb der Berufsgruppen aus und nicht davon, dass Kreative und Kulturschaffende überflüssig werden. Im Gegensatz vermute ich eine Definition von neuen Standards für Kulturprodukte – mit oder ohne KI. 

„KI, aber fair“ – wie kann das gelingen?
Einerseits ist für eine faire KI die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen von KI-Algorithmen wichtig. Hieran wird bereits an mehreren Instituten bundesweit, aber natürlich auch international geforscht. Andererseits gibt es von Seiten der Gesetzgebung und durch Initiativen wie AlgorithmWatch oder dem Deutschen Ethikrat diverse Bestrebungen, den Einfluss von KI auf Menschen zu begrenzen, um ihre Freiheit und Unversehrtheit nicht zu gefährden.

Was genau beinhaltet das Förderprogramm LINK?
Das Förderprogramm LINK hat eine Auseinandersetzung von Kulturschaffenden mit der Zukunftstechnologie KI angeregt, eine Weiterbildung für Kreative zum eigenständigen Programmieren entwickelt und die Zusammenarbeit von Kultur- und KI-Expert*innen gezielt ermöglicht. In der Veranstaltungsreihe „LINKed – KI als Werkzeug in…“ wurden acht Kultursparten/-themen einzeln beleuchtet und mit „creAItix“ eine langfristige Plattform für KI in Kultur und Kreativwirtschaft geschaffen.  

Wie kann eine kreative Partnerschaft von Mensch und Maschine aussehen?
Maschinen können einiges besser als Menschen und Menschen können anderes besser als Maschinen. Eine kreative Partnerschaft funktioniert, wenn die Stärken und Schwächen berücksichtigt werden und Klarheit über den teils experimentellen Charakter der Ergebnisse herrscht. Viele Künstler*innen schätzen gerade das kreative Zusammenspiel von Mensch und Maschine besonders, weil es ihre eigenen Kompetenzen erweitert und so zu neuartigen Ergebnissen führt.

Was hat es mit dem Schulungsprogramm der KI-Schule auf sich? Was ist das Ziel?
In der KI-Schule haben wir mit Hilfe dreier Informatiker einen sechsmonatigen Crashkurs zusammengestellt, durch den wir Kulturschaffende in die Lage versetzt haben, selbst neuronale Netze zu programmieren und KI-Methoden für die eigene praktische oder kreative Arbeit zu nutzen. Für uns stellte sich die spannende Frage, ob die Technologie in den eigenen Projekten dominieren würde oder ob sie sich organisch als Werkzeug in die Kulturarbeit einfügt. Die Ergebnisse waren ausgesprochen vielfältig und überzeugend. Das KI-Schulmaterial ist in Kürze über die Plattform creAItix.com öffentlich zugänglich, damit mehr Menschen davon profitieren können.

Was wünschen Sie sich persönlich für die Entwicklung von KI für die Kultur? Was liegt Ihnen am Herzen?
Ich wünsche mir weiterhin Mut und Neugierde auf Seiten der Kultur und ein aktives Einbringen in gesellschaftliche Diskurse, zu denen eindeutig auch diese Technologie gehört. Sie haben nach dem Einfluss von KI auf Kultur gefragt, es gibt jedoch auch einen Einfluss von Kultur auf KI und einen großen Bedarf an kulturellen Fragestellungen für die KI-Forschung. Kultur kann helfen, KI zu erklären und menschenverträglich zu formen. Unsere Gesellschaft braucht beides: KI mit Kultur und Kultur mit KI. 

Fortsetzung gefällig? Mehr zum gesamten Veranstaltungsprogramm des Förderprogramms LINK der Stiftung Niedersachsen auf der Website und auf YouTube.

Portrait: Fotografin: Katrin Ribbe © Stiftung Niedersachsen  / Bilder im Text und Titel: DeepMind auf Unsplash