Immer online und nie entspannt? Wer Tag und Nacht das Handy bedient, gerät in einen digitalen Dauerstress. Constanze Claus, Programmleiterin im Bereich Kultur der Körber-Stiftung, im Gespräch über die Veranstaltungsreihe „Gebundenes Leben: Alles digital, alles gut?“.
Zuallererst stellen Sie sich bitte kurz mit ein paar Worten vor!
Mein Name ist Constanze Claus und ich bin als Programmleiterin im Bereich Kultur der Körber-Stiftung in Hamburg tätig. Aktuell befasse ich mich dort mit Fragen der Kulturvermittlung und entwickele Veranstaltungsformate, die relevante Themen einer lebendigen Bürgergesellschaft aufgreifen.
Drei Worte, um Ihre Arbeit zu beschreiben!
Reden, handeln, bewegen
Der Slogan der diesjährigen Reihe „Gebundenes Leben“ lautet: Alles digital, alles gut? Was steckt dahinter?
Wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt. Es ist selbstverständlich geworden, jederzeit erreichbar zu sein und überall auf Informationen zugreifen zu können. Die meisten von uns können sich zwar an die Prä-Smartphone-Zeit noch erinnern, ohne ein solches Gerät zu leben, kann sich aber fast keiner mehr vorstellen. Doch ist, nur weil wir immer und überall digital vernetzt sind, schon „alles gut“? Müssten wir nicht viel genauer hinschauen, was die ständige digitale Verfügbarkeit mit uns macht, und wie sie unser Leben verändert? Mit der Reihe „Gebundenes Leben“ wollen wir etwas genauer hinschauen, um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir vom Anwender zum eigenständigen Gestalter werden können.
Wie kam es zu der Reihe „Gebundenes Leben“? Welche Idee wird damit verfolgt?
Die Reihe „Gebundenes Leben“ ist ein gemeinsames Format der Körber-Stiftung und des Literaturhauses in Hamburg. In den Veranstaltungen möchten wir unterschiedliche Handlungsfelder unserer Stiftungsarbeit literarisch erschließen. Das Literaturhaus war von Anfang an der prädestinierte Partner und es ist schön, abwechselnd an zwei Spielorten zu sein: mal im Literaturhaus an der Alster, mal bei uns im KörberForum im Hamburger Hafen.
Der erste Abend handelte von der Thematik, was passiert, wenn wir dauernd online sind und pausenlos abgelenkt werden. Welche Erkenntnisse wurden aus dem Abend gezogen?
„Digitaler Dauerstress“ haben wir diesen Abend genannt. Denn wer kennt das nicht: Das Smartphone surrt – und sofort schauen wir nach, wer uns geschrieben hat. Dieses ständige Abgelenkt sein und Unterbrochen werden wirkt sich natürlich auf unsere Konzentration aus. Forschungen gehen davon aus, dass wir etwa 15 Minuten brauchen, um in tief konzentriertes Arbeiten zu kommen. Der durchschnittliche Smartphone-User schaut aber alle 18 Minuten auf sein Handy. Damit bleiben gerade mal drei Minuten für echte Konzentration übrig. In dem Gespräch ging es beispielsweise darum, dass es vor diesem Hintergrund ratsam und wohltuend sein kann, das Smartphone einfach mal leise zu stellen, oder nicht sofort zu springen, wenn es surrt. Außerdem wurde der Frage nachgegangen, welche Verantwortung Eltern gegenüber ihren Kindern haben. Wichtig ist es, Kinder schon frühzeitig an einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien heranzuführen.
Was versprechen die kommenden Abende im Mai und Juni 2018?
Im Mai wird es spannend: Eine Internetplattform sammelt und analysiert Daten von Menschen – und verspricht dadurch ihren Millionen Nutzern ein besseres Leben und mehr Erfolg. Per App bestellte Drogen werden anonym mit einer Drohne geliefert. Die Thriller-Autoren Marc Elsberg und Zoë Beck lesen aus ihren Romanen »Zero« und die »Lieferantin« und liefern realistische Szenarien einer überdigitalisierten Welt. Im anschließenden Gespräch fragen wir nach, wie man einen solchen Stoff recherchiert und für wie realistisch die beiden ihre Romane halten.
Im Juni stellt dann die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel ihr Buch „Mein Kopf gehört mir“ vor. Der Titel lässt anklingen, dass es zukünftig vielleicht nicht mehr selbstverständlich ist, dass die Hoheit über unsere Gedanken ausschließlich bei uns selbst liegt. Wenn Computer unsere Gedanken lesen und verschriftlichen können oder wenn Gehirnimplantate unser Denken optimieren können, was macht das dann mit uns? Miriam Meckel plädiert dafür, nicht alles möglich zu machen, was möglich ist.
Wie positioniert sich die Körber-Stiftung im Bereich der digitalen Mündigkeit?
Wir wünschen uns eine starke Zivilgesellschaft, die das digitale Zeitalter mitgestaltet und für sich nutzt. Denn Digitalisierung ist keine Naturgewalt, sondern auch Programmcodes werden von Menschen gemacht. Deshalb setzen wir uns für die Vermittlung umfassender digitaler Kompetenzen ebenso ein, wie für eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die Gestaltung des derzeitigen Wandels. Im schulischen Kontext beispielsweise kommt die Digitalisierung noch zu selten an. Also haben wir kürzlich auf einem Digital Summit Lehrkräfte mit Unternehmensvertreterinnen und -vertretern der Digitalbranche zusammengebracht. Durch persönliche Begegnungen und Einblicke in Unternehmen der Digitalbranche haben die Lehrerinnen und Lehrer erfahren, wie wichtig und omnipräsent digitale Tools und Anwendungen im Arbeitsleben sind. So verstehen sie besser, welche Kompetenzen und Qualifikationen Jugendliche heutzutage brauchen.
Wann ist es für Sie persönlich ein erfolgreicher Themenabend?
Wenn wir Experten ins KörberForum holen, dann ist es uns wichtig, dass sie auch mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Deshalb folgt jeder Diskussion auf der Bühne ein Publikumsgespräch, in dem jeder, der möchte, Fragen an die Podiumsgäste richten kann. Anschließend laden wir dazu ein, das Gehörte in unserem Foyer in kleinen Runden weiter zu diskutieren. Wenn die Gespräche am Ende des Abends nicht abebben und Besucher uns rückmelden, dass der Abend ihnen neue Perspektiven aufgezeigt hat – dann war es für mich ein erfolgreicher Abend.
Der Podcast zur Veranstaltung „Gebundenes Leben: Mein Kopf gehört mir“ mit Miriam Meckel und Moderator Ulrich Kühn vom 05. Juni 2018 ist hier nachzuhören.
Fortsetzung gefällig? Das aktuelle Programm sowie weitere Informationen der Körber-Stiftung sind auf der Homepage oder auf Facebook zu finden.