Oktober 7, 2024

Interview zu OPEN BOOKS: „Frankfurt als Welthauptstadt des Buches“

by Deborah Klein in Branchengespräch

Alljährlich im Oktober veranstaltet die Stadt Frankfurt am Main das beliebte Lesefest OPEN BOOKS zur Frankfurter Buchmesse (16.–20. Oktober). Deborah Klein im Gespräch mit Dr. Sonja Vandenrath, der Leiterin des städtischen Literaturreferats. Die Literaturbeauftragte der Stadt hat das Lesefest in Frankfurt erfunden.

Zuallererst stellen Sie sich bitte kurz mit ein paar Worten vor!
Ich bin Literaturwissenschaftlerin und leite das Literatur- und Wissenschaftsreferat der Stadt Frankfurt. In der Zeit des Suhrkamps Umzugs aus Frankfurt nach Berlin habe ich das Lesefest OPEN BOOKS 2009 erfunden, das ich seither leite. Daneben kuratiere und verantworte ich das städtische Literaturfestival literaTurm sowie die Lesereihe Frankfurter Premieren und die Lyriktage Frankfurt, die im biennalen Wechsel als auch zu literaTurm stattfinden.

Wenn Sie drei Worte wählen sollten, um Ihre Arbeit zu beschreiben?

Kommunikation, Konzeption, Lesen und Schreiben.

Sonja Vandenrath, Leiterin des Lesefests OPEN BOOKS

Dr. Sonja Vandenrath, Leiterin des Lesefests OPEN BOOKS

OPEN BOOKS – das große städtische Lesefest, das seit 2009 jährlich zur Frankfurter Buchmesse stattfindet. Was macht das Format so besonders?
Die Buchmesse ist der Pulsgeber für die Buch- und Literaturstadt Frankfurt. Seit über 15 Jahren gibt es parallel dazu das städtische Lesefest OPEN BOOKS. 100 Lesungen an vier Tagen und alle rund um den Römer bei freiem Eintritt, das macht unseren Markenkern aus. Weil alle Veranstaltung so nah beieinanderliegen, nennen wir uns auch das Lesefest der kurzen Wege. Die Möglichkeit, verschiedene Autor:innen an einem Tag zu erleben, lockt viele Menschen aus Frankfurt und der Region an. Sie alle können sich in den etwa einstündigen Lesungen einen persönlichen Überblick über die Neuerscheinungen des Herbstes verschaffen. Wichtig ist uns auch, dass wir Bücher aller Sparten vorstellen, das heißt deutschsprachige und internationale Belletristik, Sachbücher, Graphic Novel, Lyrik und das Kinderbuch. OPEN BOOKS bietet dem Buch eine Bühne im Herzen der Stadt.
 
Die älteste Frankfurter Literaturveranstaltungsreihe „Literatur im Römer“ ist fester Teil des Programms – was genau steht hinter dieser Reihe?
Literatur im Römer ist die Keimzelle aller städtischen Aktivitäten zur Frankfurter Buchmesse. Ein Lesungsmarathon mit acht Romanen an einem Abend, auf den das Publikum regelrecht hinfiebert und dies seit fünfzig Jahren. Die Warteschlange vor dem Einlass geht quer über den Römerberg und die Stimmung ist sensationell. Man muss sich das mal vorstellen, im Frankfurter Rathaus sitzen hunderte von Menschen auf harten Bänken, verköstigt mit Apfelwein und Brezeln, und lauschen über zwei Stunden den Lesungen und Gesprächen auf der Bühne. Die Veranstaltung ist definitiv Kult. Seit vergangenem Jahr gibt es mit den „Debüts im Römer“ am Buchmessen-Freitag den jungen Ableger, der sofort ein großes und sehr hippes Publikum angezogen hat.
 
Wie erfolgt die Teilnahme an OPEN BOOKS, wie funktioniert das Ausschreibungsverfahren?
Wir schreiben im Juni die deutschsprachigen Verlage an und bitten um Vorschläge, welche Bücher sie bei uns vorstellen wollen. Dann treffen wir eine Auswahl aus den zahlreichen Angeboten und fangen mit der organisatorischen Bastelarbeit an, die Ende August abgeschlossen ist. Auf unserer Homepage findet man das Programm ebenso wie in unserem Flyer.
 
Welche Highlights sind in 2024 für das Lesefest zu erwarten?
In diesem Jahr wird es erstmals eine OPEN STAGE für Frankfurter Autor:innen geben, die ihre neuen, bislang unveröffentlichten Texte vorstellen. Damit bieten wir der lokalen Literaturszene eine große Bühne. Im Zentrum aber stehen prominente Autor:innen wie Anne Applebaum, Ewald Arenz, Omri Boehm, Arno Geiger, Dmitri Glukhovsky, Olga Grjasnowa, Dora Heldt, Eva Illouz, das Krimiduo Volker Klüpfel und Michael Kobr, Daniela Krien, Jessica Lind, Jagoda Marinić, Steffen Mau, Clemens Meyer, Armin Nassehi, Melanie Raabe, John Strelecky, Jan Weiler, Hengameh Yaghoobifarah und viele mehr. In der Sparte „Internationale Literatur“ liegt ein besonderes Augenmerk auf dem diesjährigen Gastland Italien, unter anderen werden Marco Balzano und Melania G. Mazzucco aus ihren Büchern lesen.
 
Frankfurt ist nicht nur Bankenstadt, sondern auch Buchstadt. Wie viel Buch steckt in der Stadt und wie bewerten Sie die örtliche Literaturszene aktuell?
Sonja Vandenrath und Kulturdezernentin Ina Hartwig bei der Pressekonferenz zu OPEN BOOKS. (Foto: Paul Englert)

Dr. Sonja Vandenrath und Kulturdezernentin Ina Hartwig bei der Pressekonferenz zu OPEN BOOKS

In der Tat ist unser kulturelles Selbstverständnis stark geprägt vom Buch und der Literatur. Immerhin war Frankfurt bereits im 16. Jahrhundert der zentrale Handelsplatz für die damaligen Bücher, die damals noch als lose Blätter in Holzfässern transportiert wurden. Durch Goethe, der hier geboren und aufgewachsen ist, hat die freie Reichsstadt so etwas wie einen Leitstern erhalten. Die Buchmesse, die seit dem Zweiten Weltkrieg hier stattfindet, macht aus Frankfurt alljährlich im Herbst die Welthauptstadt des Buches. Die Impulse, die von der Messe ausgehen, wirken über das ganze Jahr; denn auch hier gilt, „nach dem Event ist vor dem Event“. Zudem sind in Frankfurt renommierte Verlage ansässig, sammelt und hütet die Deutsche Nationalbibliothek alle deutschsprachigen Medien, erscheinen täglich zwei überregionale Feuilletons und hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seinen Sitz, zu dem auch der Mediencampus, die ehemalige Buchhändlerschule in Seckbach, gehört. So ist quasi selbstverständlich, dass wir das ganze Jahr über ein tolles Angebot an Veranstaltungen rund um das Buch haben, und vor allem Neuerscheinungen. Und ich entdecke immer wieder neue Autor:innen, die hier leben und arbeiten.

Zuletzt: Welches Buch haben Sie zuletzt persönlich gelesen und mögen Sie empfehlen?
Oh, ich lese so viel, mal intensiv, mal extensiv, vor allem aber die aktuellen Romane, dass es mir schwerfällt, ein Buch besonders hervorzuheben. Vielleicht als Reverenz an einen großartigen Frankfurter Schriftsteller, „Punk“ von Eckhart Nickel.

Fortsetzung gefällig? Mehr zum Programm und Informationen auf der Website und Instagram.

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