Februar 9, 2018

Über den Tellerrand geschaut mit Fynn Steiner

by Deborah Klein in Allgemein, Branchengespräch

Branchengespräch mit Fynn Steiner, Sales Associate im Hamburger TASCHEN Store – „Das Geheimnis unseres Stores liegt im Detail.“

Im aktuellen Gespräch der Rubrik „Über den Tellerrand geschaut“ spricht Deborah Klein mit Fynn Steiner über den kleinsten Store des TASCHEN Verlags, der seinen Fokus auf Collector’s Editionen legt. Eine Collector’s Edition ist ein Buch, das viel mehr ist als ein herkömmliches Buch.

Wenn Sie drei Worte wählen sollten, um sich in Ihrer Arbeit beschreiben zu können?

Kunst, Kontakt, Kaffee. Sie glauben gar nicht, wie wichtig mir der Kaffee ist!

Womit zeichnet sich der TASCHEN Store in Hamburg besonders aus? Was liegt Ihnen am Herzen?

Unser Hamburger Store ist einer der kleinsten des TASCHEN Verlags, dessen Stores über die ganze Welt, mit Fokus auf Europa und die USA, verteilt sind. Dennoch brauchen wir uns deshalb nicht vor den Kollegen aus Los Angeles, New York oder Paris zu verstecken. Das Geheimnis unseres Stores liegt im Detail. Durch die vergleichsweise kleine Ladenfläche entsteht automatisch eine gewisse Intimität. Wenn ein Kunde den Store betritt, ist es ein bißchen so, als hätte man einen guten Freund zu sich nach Hause eingeladen und würde ihm die Wohnung zeigen. Wir können uns in entspannter Atmosphäre die Zeit nehmen, mit ihm die neueste Collector’s Edition durchzugehen und dabei Erfahrungen mit dem Autor oder dem Künstler austauschen, Trends zu besprechen und natürlich interessante Anekdoten zu erzählen.

Wie würden Sie Ihr Sortiment beschreiben? Welchen Kundentyp bedienen Sie?

David Hockney. A Bigger Book; Edition von 9.000 Exemplaren; Preis: € 2.500

Unser Sortiment umfasst beinahe das gesamte Programm des TASCHEN Verlags. Was wir nicht haben, können wir zügig besorgen. Ein besonderer Fokus des Hamburger Stores liegt aber sicherlich auf den Collector’s Editionen. Eine Collector’s Edition ist ein Buch, das viel mehr ist als ein herkömmliches Buch. Um zu veranschaulichen, was ich meine, sei ein kleiner popkultureller Exkurs erlaubt. Stellen Sie sich vor, Sie hätten Ihren Heimatplaneten zu verteidigen. Was wäre Ihnen dabei als Unterstützung lieber? Zehn Stormtrooper oder ein Jedi Ritter? Eine Collector’s Edition, darauf möchte ich hinaus, ist genau das: Ein Jedi Ritter unter den Büchern. Wenn wir beispielsweise eine Collector’s Edition über Naomi Campbell heraus bringen, dann ist das nicht nur ein Buch im Sonderformat, diese Edition ist dann limitiert und von ihr persönlich signiert und kommt darüber hinaus in einem Korpus des britischen Popart-Künstlers Allen Jones. Dadurch wird aus einem gewöhnlichen Buch -mit viel Liebe zum Detail- ein Kunstobjekt, das seinesgleichen sucht. Entsprechend ist es auch um unsere Kunden bestellt. Viele sind Liebhaber, Sammler mit exquisitem Geschmack und speziellen Vorlieben. Die meisten der Bücher, die wir limitiert herausbringen, sind mit etwas zeitlichem Abstand auch als preisgünstige Trade-Variante zu bekommen. Dann sind sie nicht mehr limitiert, nicht signiert, vielleicht nicht genauso groß, aber sie liefern exakt dieselben Inhalte wie ihre „großen Geschwister“ der Collector’s Editionen.

Hat sich die Klientel durch digitale Zuströme wie Amazon verändert oder werden Ihre Bücher weiterhin gern persönlich gekauft?

Eines vorweg: Ich würde immer empfehlen, ein Buch vor dem Kauf in den Händen zu halten, besonders, wenn es sich um eine Collector’s Edition handelt. Über die Wichtigkeit der Haptik eines Buches hat z.B. Patti Smith in ihrem biografischen „M Train“ ausführlich geschrieben. Es gibt da etwas, was man niemals ganz durch den Bildschirm erfassen kann. Ich nenne es, in Anlehnung an Smith, gern die Magie des Buches.

Ist am Kaufverhalten selbst etwas abzulesen, was sich in den letzten Jahren verändert hat? Wie sehen Ihre Prognosen in Bezug auf den stationären Handel aus? Buchhandel vs. Online?

The Little Book of Captain America

Mein ehemaliger Chef Heiko Sommer sagte immer, dass man als Buchhändler seine Rolle neu interpretieren muss. Man ist eben nicht mehr der lexikalische Anlaufpunkt in der Dorfmitte, sondern muss neue Akzente setzen und Wege finden, um attraktiv zu bleiben. Genau diesen Weg geht der Verlag aus meiner Sicht, wenn er sein Profil mit Collector’s Editionen schärft. Beispielsweise waren wir im Jahr 2016 nur mit einem einzigen Buch auf der Frankfurter Buchmesse vertreten: Unserem SUMO, benannt nach dem japanischen Ringer, zum britischen Malerfürsten David Hockney. Ein solches Opus Magnum zu begreifen, das erfordert Information, das braucht individuelle Beratung und vor allem das eigene Erfahren. Das macht den stationären Buchhandel notwendig!

Welches Buch ist Ihr persönliches Highlight im TASCHEN Store Hamburg und warum?

Mein liebstes Buch ist die Collector’s Edition „A year and a day“ des Fotografen Daniel Kramer, der 1965 ein Jahr lang den jungen aufstrebenden Folkmusiker Bob Dylan fotografisch begleitet hat. Er zeigt Dylan beim Schaukeln, beim Schach, beim Fernsehen und genau in dem Moment, als er plötzlich von der akustischen zur elektrischen Gitarre wechselte. Damals ein Riesenskandal! Kramer gelingt es, ein intimes Portrait des genialen Musikers zu zeichnen, das dessen bisweilen kruder Erzählstruktur und mystifizierender Lyrik in nichts nachsteht. Diese Edition ist nicht nur für Dylanologen ein Augenschmaus! Sie zeigt einen jungen Menschen, der plötzlich auf den großen Bühnen dieser Welt neben Joan Baez und Johnny Cash steht und sich neu erfinden muss. Eine universelle Metapher. Ich jedenfalls bin begeistert!

Aus welchen Motiven heraus kaufen Menschen Ihre Bücher?

Warum geht man mit einem Menschen aus? Weil man etwas an ihr oder ihm findet, weil einen etwas begeistert, weil man sich verliebt! So ist es auch mit Büchern. Meiner Erfahrung nach schlagen unsere Kunden oft ein Buch auf und wissen: Das ist es, das ist Liebe auf den ersten Blick! Natürlich gibt es auch die Sammler, die jede unserer Veröffentlichungen kaufen, weil sie Wert auf Vollständigkeit legen. Oder es gibt diejenigen, die eine unserer Collector’s Editionen als Wertanlage kaufen und sie sich unters Bett schieben, um sie in ein paar Jahren teurer wieder zu verkaufen. Auch das ist völlig legitim und durchaus möglich.

Fortsetzung gefällig? Fynn Steiner ist beruflich im TASCHEN Store Hamburg anzutreffen, privat unter fynnsteinersuperstar.de.

Fotos: Copyright TASCHEN Verlag; Alexander Willim