Mai 13, 2024

Im Interview: In der Villa Aurora wird L.A. zum Inspirationsort

by Deborah Klein in Allgemein, Branchengespräch

Im Jahr 1995 wurde die Villa Aurora in Los Angeles als Künstlerresidenz wieder zu einem Ort internationaler Begegnungen. Früher war die Villa Aurora das Domizil des Schriftstellers Lion Feuchtwanger und seiner Frau Marta Feuchtwanger während ihres US-amerikanischen Exils. Im Gespräch mit der Leiterin der Villa, Dr. Claudia Gordon, über ein besonderes Künstlerhaus, das stets mit neuem Leben gefüllt wird. Damit kein Gras über die Geschichte wächst.

Zuallererst stellen Sie sich bitte kurz mit ein paar Worten vor!
Ich bin Direktorin der Villa Aurora, Künstlerresidenz im ehemaligen Haus von Lion und Marta Feuchtwanger. Daneben bin ich auch für die Verwaltung des Thomas Mann House zuständig.

Wenn Sie drei Worte wählen sollten, um Ihre Arbeit zu beschreiben?
Interdisziplinär, herausfordernd und ein großes Glück.
 
Die Villa Aurora ist als Künstlerresidenz bekannt, als Ort internationaler Begegnungen. Was genau bieten Sie den Stipendiat:innen?
Wir bieten den Stipendiat:innen sowohl einen Ort, an dem sie in losgelöst von ihrem normalen Umfeld und entlastet von Verpflichtungen an ihren Projekten arbeiten können. Daneben ist die Vernetzung mit Künstler:innen und Institutionen in Los Angeles und -je nach Schwerpunkt- die Eröffnung von Möglichkeiten zur Präsentation eigener Arbeiten vor Ort Ziel der Aufenthalte. Wir streben dabei ein jeweils „maßgeschneidertes“ Angebot für jede/n Künstler:in an.

“Heirloom” von Kelly Akashi, präsentiert im Rahmen der Frieze 2023

 

Was macht die Villa Aurora in Ihren Augen besonders? Wie beschreiben Sie die Atmosphäre?
Die Villa Aurora ist einerseits Gedenkort für Marta und Lion Feuchtwanger und ihre Gefährt:innen im Exil an der Westküste der USA, und trägt andererseits die Tradition des Hauses als Ort des künstlerischen und intellektuellen Austausches in Gegenwart und Zukunft. Es ist ein enormes Privileg, alle drei Monate eine Gruppe mit neuen Perspektiven und interessanten Positionen „frei Haus geliefert“ zu bekommen und eine unterstützende Rolle bei der Umsetzung neuer Projekte spielen zu dürfen.

Wie stark ist die Historie noch erlebbar, auch mit Hinblick auf die früheren Bewohner:innen?
Man steht in der Villa im Grunde genommen mit jeweils einem Fuß in zwei verschiedenen Zeiten. Die Künstler:innen leben in den Räumen, mit den Möbeln und vor allem mit dem überwiegenden Teil von Lion Feuchtwangers Bibliothek, der sich noch im Haus befindet. Auch in der Programmarbeit hat die Erinnerung an die Exilant:innen einen festen Platz. Und nicht zuletzt ist die entschlossene Haltung Lion und Marta Feuchtwangers gegen faschistische Ideologie uns als Organisation Verpflichtung.

Was hat es mit dem Wohnhaus von Thomas Mann auf sich?
Im Thomas Mann House, in dem die Familie Mann von 1942 bis 1952 lebte und das seit 2016 im Besitz der Bundesregierung ist, ist seit 2018 ebenfalls ein Residenzprogramm untergebracht. Villa Aurora und Thomas Mann House haben eine gemeinsame Verwaltung und arbeiten auch programmatisch zusammen, haben aber unterschiedliche Profile. Im Thomas Mann House leben und forschen Wissenschaftler:innen und Vordenker:innen unter einem Jahresthema zu den drängenden Herausforderungen unserer Zeit und pflegen den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und den USA.

The Thomas Mann House

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Einrichtung?
Die Villa Aurora fördert als Künstlerresidenz und als Ort internationaler Kulturbegegnungen den deutsch-amerikanischen Kulturaustausch. Als Haus der Erinnerung hält sie das Andenken an die Künstler:innen und Intellektuellen wach, die in Kalifornien während der Zeit des Nationalsozialismus Zuflucht fanden und einen bedeutenden Einfluss auf das Kulturleben an der amerikanischen Westküste hatten.
Jährlich vergibt die Villa Aurora Stipendien für Künstler:innen in den Sparten Bildende Kunst, Komposition, Film und Literatur, die in Deutschland leben und arbeiten, für einen dreimonatigen Aufenthalt in Los Angeles. Weitere Stipendien werden in Kooperation mit Partnerorganisationen vergeben. Das Stipendium in Los Angeles dient der Arbeit an einem künstlerischen Projekt, der Vernetzung mit kalifornischen Kulturschaffenden und Institutionen sowie der Präsentation des jeweiligen Werkes in der Öffentlichkeit. In Zusammenarbeit mit der University of Southern California und Menschenrechtsorganisationen vergibt der Verein jährlich das Feuchtwanger Fellowship für Schriftsteller:innen und Journalist:innen, die sich für die Meinungsfreiheit in ihrem Heimatland einsetzen, sowie alle zwei Jahre das Michael Ballhaus Stipendium für herausragende Bildgestalter:innen. Allein und in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern veranstaltet die Villa Aurora ein lebendiges und vielseitiges öffentliches Kulturprogramm.

Für viele Menschen ist es das Licht, die Sonne Kaliforniens, was macht in Ihren Augen Los Angeles zu einem Sehnsuchtsort?
Ich bin immer wieder fasziniert davon, aus wie vielen verschiedenen, extrem diversen Stadtteilen sich Los Angeles zusammensetzt, wie sich die Kulturlandschaft vor allem in Hinblick auf die Bildende Kunst, wo die Stadt inzwischen eine absolute Führungsrolle einnimmt, entwickelt hat und davon, wie nah man in dieser Riesenstadt an der Natur ist.

Kalifornien ist topografisch ein „themepark of risks“, mit Erdbeben-, Feuer-, Erdrutsch- und Überflutungsgefahr. Wie stark ist die Community deutscher Künstler:innen vor Ort, die in L.A. leben und arbeiten?
Ich denke, wir alle bemühen uns, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, also zu kontrollieren, was man kontrollieren kann, und dann den Gedanken an mögliche Gefahren im täglichen Leben nicht zu sehr an sich heranzulassen. Es gibt viele deutsche Künstler:innen hier, nicht zuletzt auch Villa Aurora Alumni, mit denen wir natürlich in besonders engem Kontakt sind, und auch vielen Mitgliedern der Expat Community sind uns freundschaftlich verbunden. Unser Hauptaugenmerk liegt allerdings auf der Herstellung von Verbindungen zu amerikanischen Künstler:innen und Institutionen.

Ist die Villa Aurora als deutsch-amerikanische Begegnungsstätte frei zugänglich für Interessierte?
Ja. Nahezu alle unsere Veranstaltungen sind öffentlich; man kann sich für unseren Newsletter anmelden und bekommt dann die Einladungen. Auch historische Führungen bieten wir an, allerdings mit Rücksicht auf unsere Künstler:innen nur nach Voranmeldung.

Wie stark ist die kulturelle Brücke allgemein zwischen Los Angeles und Deutschland?
Los Angeles und Berlin sind Partnerstädte und es gibt auf vielen Ebenen einen regen Austausch, aber in unserer Organisation ist die Verbindung natürlich besonders stark. Villa Aurora & Thomas Mann House existiert einerseits als gemeinnützige Organisation in den USA, aber auch als deutscher Verein, der seinerzeit die Rettung des Hauses vor einen Kauf in private Hände verhindert und den Aufbau der Künstlerresidenz initiiert hat. Das VATMH-Büro in Berlin organisiert auf der Programmebene neben der Auswahl der Fellows auch eine Vielzahl von Kulturprogrammen.

Vor der Oscar®-Verleihung findet stets ein „Klassentreffen“ der deutschen Künstler:innen statt. Was hat es mit diesem traditionellen Anlass auf sich?
Als traditioneller Ort des Austausches zwischen Deutschland und den USA richten wir diesen Empfang seit mehr als 20 Jahren aus und können inzwischen etliche Alumni wie zum Beispiel Edward Berger, Maren Ade oder Jochen Alexander Freydank zu den Oscar®-Preisträger:innen und Nominierten zählen. Die Veranstaltung bietet Gelegenheit, die Erfolge des deutschen Films zu feiern, unser Film-Netzwerk kontinuierlich auszubauen und die Institution für eine breite Öffentlichkeit sichtbar zu machen.

Was wünschen Sie sich für das Haus in der Zukunft?
Bei unseren amerikanischen Kooperationspartner:innen wird die Tatsache, dass Deutschland diesen Ort des Austausches unterstützt – der überwiegende Teil unseres Budgets kommt vom Auswärtigen Amt und der Beauftragten für Kultur und Medien – und damit der Förderung von Künstler:innen im Rahmen der auswärtigen Kultur und Bildungspolitik eine so hohe Bedeutung beimisst, häufig mit Erstaunen und immer mit Begeisterung begegnet. Ich freue mich darauf, unsere erfolgreiche Arbeit, die in zahlreichen Projekten und tragfähigen transatlantischen Verbindungen resultiert, durch die Erweiterung unserer Netzwerke und die Vertiefung bestehender Verbindungen weiterzuführen.

Welchen Ort in Los Angeles können Sie persönlich empfehlen?
Das Museum of Jurassic Technology – und zur Einstimmung auf den Besuch das Buch „Mr. Wilson’s Cabinet of Wonders“ von Lawrence Weschler, dessen Großvater, der Exilkomponist Ernst Toch, ein guter Freund der Feuchtwangers war. So führen also am Ende doch alle Wege wieder in die Villa Aurora!

Fortsetzung gefällig? Mehr zur Künstlerresidenz auf der Website und auf Instagram.

Copyright: Bild mit Kunstwerk im Garten der Villa von Paul Salveson, alle weiteren Bilder von Aaron Perez/© VATMH